Gündels Kulturstall

18.04.09

Die Kanaren – Fundgrube für Kartoffelliebhaber


In der Literatur wird die Verbreitung der Kartoffel in Europa oftmals mit den Eroberungs- und Handelstätigkeiten spanischer Seefahrer Mitte des 16. Jahrhunderts in Zusammenhang gebracht. Für die lange Überfahrt nach Mittel- und Südamerika waren die Kanarischen Inseln ein wichtiger Umschlagsplatz zum Auffüllen von Vorräten und Trinkwasser. Somit ist anzunehmen, dass die im Atlantik gelegenen Kanaren auch einer der ersten Orte waren, auf denen die Kartoffeln außerhalb ihrer Urheimat Mittelamerika angebaut und vermehrt wurden. Die vergleichbaren klimatischen Verhältnisse und die Nähe zum Äquator (besonders wichtig für Kurztagpflanzen) boten dazu ideale Voraussetzungen.
(zusätzliche Infos unter www.papasantiguasdecanarias.es)


Ausgerüstet mit diesem Wissen verbrachten die VINOTHEKER vom 12.-19. April 2009 eine gemeinsame Urlaubswoche auf Teneriffa. Neben dem gewünschten Erholungseffekt konnten wir viele neue Informationen zu unserem Lieblingsthema, den Kartoffeln (oder den Papa Antiguas, wie sie in der Landessprache liebevoll bezeichnet werden) sammeln.
In Vorbereitung auf unsere Reise hatten wir mit Undine Kummer, einer Berufskollegin, die auf Teneriffa lebt und arbeitet, Kontakt aufgenommen. Undine hat uns dankenswerter Weise einige Kontakte zu Kartoffelspezialisten verschafft, die wir ohne sie wohl nicht so problemlos bekommen hätten. Außerdem wurde erst durch sie eine Verständigung mit den Experten problemlos möglich, da wir des Spanischen noch nicht ganz mächtig sind.


Ein absolutes Highlight war für uns der Besuch der Gen-Bank in Tacoronte. Der Direktor der Einrichtung, Senior Domingo Rios Meso, und seine charmante Mitarbeiterin, Seniora Desiree Alfonso, nahmen sich fast zwei Stunden Zeit, um uns einen Einblick in die umfangreiche Tätigkeit der Einrichtung, mit Schwerpunkt auf der Erhaltung alter einheimischer Landsorten, zu geben. Wie wichtig diese Arbeiten für die Insulaner sind, bemerkten wir sehr bald, denn beim Studium der Speisekarten in den landestypischen Lokalen spielen die Kartoffeln eine herausragende Rolle (was wir natürlich ausgiebig probierten). Besonders fasziniert waren wir von der Ursprünglichkeit der alten Landsorten. Das diese Sorten nahezu 400 Jahre alt sein sollen und heute noch nahezu unverändert auf der Insel angebaut werden, wollten wir fast nicht glauben. Im Vergleich dazu ist unsere älteste selbst angebaute Sorte (Fortyfold, 1836) ein eher junges Pflänzchen. Bezüglich der Kartoffelhistorie ist Teneriffa tatsächlich eine wahre Fundgrube. Bei Senior Domingo Rios Meso und Seniora Desiree Alfonso möchten wir uns noch einmal für die Herzlichkeit des Empfangs bedanken.


Des weiteren hatte Undine einen Termin an der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität La Laguna organisiert. Senior Miguel Santos führte uns voller Stolz durch die Gewächshäuser seiner Einrichtung, in denen seine Studenten gerade Bewässerungsversuche mit den landestypischen alten Landsorten durchführen. Wie wichtig die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind, begriffen wir erst, als wir über die klimatischen Verhältnisse auf Teneriffa Näheres erfuhren. So gibt es im Süden der Insel beispielsweise Regionen, in denen im Jahresdurchschnitt gerade mal 40-50 mm Niederschlag fallen, während im höher gelegenen Norden rund um den Teide Jahresniederschläge von fast 1.000 mm üblich sind. Interessanterweise werden diese Versuche auch mit den alten Landsorten und nicht mit ertragsreicheren Neuzüchtungen durchgeführt. Das unterstreicht das große Interesse der Insulaner an der Erhaltung der alten Landsorten als touristische Attraktion für den landestypischen „Speiseplan“ in Lokalen und Gourmetrestaurants. Die sehr präzisen Antworten auf unsere vielen fachspezifischen Fragen hinsichtlich des Kartoffelanbaus auf Teneriffa und zu den einzelnen Sorten waren für uns sehr aufschlussreich und überaus informativ.


Noch lange werden wir uns an die schönen Stunden auf der Finca von Senior Miguel Santos erinnern, auf die er uns alle einlud. Auf etwa 900 m Höhe baut er dort gemeinsam mit seinem Vater einheimische Kartoffelsorten an. So konnten wir bei Wein und Käse unsere fachliche Kartoffeldiskussion weiter vertiefen und erhielten gleichzeitig besondere Einblicke über die Arbeits- und Lebensweise der Bauern auf Teneriffa, fernab der sonst üblichen Touristenströme. Die Offenheit und Herzlichkeit empfanden wir Mitteleuropäer als besonders angenehm.


Um die Vielfalt von Teneriffas Agrarprodukten live erleben zu können, empfahl uns Undine, einige einheimische Bauernmärkte zu besuchen. Diesem Tipp gingen wir mit einem Ausflug in den Norden der Insel zu den „Mercadillos“ nach La Matánza, Tacoronte und Tegueste nach. Und wir sollten nicht enttäuscht werden. Neben vielen verschiedenen Gemüsesorten und –arten fanden wir bei den Kartoffeln auch die bei uns bekannten älteren englischen Sorten wie „Up to date“ und „King Edward“ im Angebot der Händler. Einige Sortenbeschreibungen und Bilder für typische Kartoffelsorten auf Teneriffa werden wir in unserer Website unter dem Menüpunkt Kartoffel-Info -> Sortenbeschreibungen aufnehmen.


Neben unserem Wissensdurst über Kartoffeln und deren Anbau auf Teneriffa kam aber auch der Erholungsfaktor nicht zu kurz. So führte uns Undine mit Ihrem Freund Alexander beispielsweise an einem Nachmittag durch das Anaga-Gebirge, dem ältesten Teil der Insel, mit seinem märchenhaften Lorbeerwald und herrlichen Ausblicken auf den Atlantik. Diesen Tag ließen wir mit einem frischen Fischmahl in einem kleinen Fischerdörfchen gemütlich ausklingen.


Wir möchten uns an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich bei Dir, liebe Undine, für die viele geopferte Zeit und Deine perfekt organisierten Expeditionen bedanken. Erst durch deine Sprachkenntnisse wurde es uns möglich, mit einheimischen Kartoffelexperten in Kontakt zu treten und mit ihnen auch fachlich zu diskutieren. Ein herzliches Dankeschön auch an deinen Freund Alexander.


Als kleines Dankeschön würden wir uns riesig darüber freuen, wenn ihr euren nächsten Besuch in Deutschland vielleicht ein klein wenig nach unserem Veranstaltungskalender planen könntet und wir uns dann zu einer musikalisch-kabarettistischen Kartoffel- und Weinverkostung in Gündels Kulturstall wiedersehen!